Tunis

Es gibt so Städte, die haben zum Beispiel Franzosen oder Italiener am Schirm – Deutsche aber null. Eine dieser Metropolen ist Tunis. Das liegt dran, dass sich die Stadt hierzulande nicht als City-Ziel vermarktet, Deutsche bei Tunesien nur an Terror denken und die Flugverbindungen auch nur solala sind, während aus Paris täglich vier bis fünf Flieger einschweben.

Über Silvester war ich dieses Jahr auf der Suche nach einer Stadt mit einigermaßen milden Wintertemperaturen, keiner Zeitverschiebung und einem Touch des Unentdeckten. Tunis hat mich nicht enttäuscht. Wir verbrachten die ersten zwei Nächte in der überraschend stressfreien Medina. Während man sich im gehypten Marrakesch etwa schnell verirrt und in Fez alles nach den dortigen Gerbereien riecht, könnte man die Altstadt von Tunesiens Hauptstadt als Medina für Anfänger bezeichnen. Die Straßen sind nicht allzu voll, relativ sauber, keiner quatscht einen an und die Orientierung fällt ebenfalls leicht.

In Marokkos Medinas finden sich Dutzende „Riads“ – in Tunis muss man die Boutique-Hotels mit der Lupe suchen. Empfehlen kann ich zum Beispiel das Dar Ben Gacem, ein von einer Schweizerin liebevoll restauriertes altes Haus mit viel Charme und toller Dachterrasse. Restaurants gibt es auch einige in unmittelbarer Umgebung. Ans Herz legen kann ich das Mrabet Café, in dem man halbliegend auf Sitzecken mit Minztee chillen kann. Darüber befindet sich ein einfaches, aber gutes Restaurant für die erste Kostprobe Couscous.

Sehr gefallen hat uns darüber hinaus das Dar Behadj, das sich im Innenhof eines alten Bey-Hauses befindet. Die Beys waren so eine Art Fürsten, die früher das kulturelle Leben im Lande bestimmten. Außerhalb der Medina schließen sich die französisch anmutenden Boulevards von Tunis an. Tolle Gründerzeiten-Fassaden mit etwas Patina zeugen vom Ruhm vergangener Jahre und dem starken europäischen Einfluss. Die Restaurants sind recht austauschbar, ganz interessant ist jedoch das Café Liberthé, das so eine Art Hipster-Zentrum von Tunis darstellt. Wer glaubt, man habe es in Tunis mit einer Dritten-Welt-Stadt zu tun, irrt. Die Hauptstadt des kleinen Landes zeigt sich modern, tolerant und bietet vielen jungen Leuten eine Heimat. Die Arbeitslosigkeit ist jedoch hoch – daher verlassen zahllose Menschen das demokratische Vorzeigeland der Region auf der Suche nach besseren Gehältern anderswo.

Überaus posh präsentieren sich die nördlichen Vororte von Tunis – die nördlichen “Banlieus”. Die meisten Besucher werden angenehm überrascht sein, wie ästhetisch und bürgerlich es hier ist. Mit am nobelsten zeigt sich das berühmte Karthago. Neben Beverly Hills-artigen Villen findet man hier auch die recht überschaubaren, aber dennoch interessanten Ausgrabungen der Antike. Das Schöne: Man kann gemütlich durchspazieren ohne den Stress, den zum Beispiel das Forum Romanum in Rom ausstrahlt.

Richtig spannend wird es für die meisten im Künstlerörtchen Sidi Bou Said, das auf einem Hang liegt und eine verwinkelte Altstadt mit tollen Ausblicken bietet. Hier gibt es eine Reihe von Cafés mit Dachterrassen, die Couscous, Fisch und die scharfe Wurst Merguez anbieten. Zudem gibt es überall so eine Art Schmalzgebück und leckere Kekse zum Minztee mit Mandeln. Am bekanntesten ist das Café des Délices, das ist aber auch ein bisschen teurer. Teuer ist relativ, da Tunis für unsere Verhältnisse eigentlich jederorts sehr günstig ist.

Am besten fand ich gastromäßig die Gegend um La Marsa. Der Küstenort hat eine Reihe von hervorragenden Lokalen zu bieten, die hohes Niveau zum guten Preis bieten. Tollen Fisch findet Ihr zum Beispiel im Cliffhouse mit seinem fantastischen Ausblick. Ebenso empfehlen kann ich zudem das französische Restaurant Le Golfe. Richtige Clubs zum Tanzen findet man etwas weiter nördlich in Gammart – darunter das Solar, das Yüka und das Terminal 2B. Davor lohnt auch ein marokkanisches Dinner im Restaurant Omnia, das zum Hotel Mövenpick gehört. Prinzipiell erwarten die Lokale von Gästen, dass sie stets eine Reservierung vornehmen. Per Mail/Facebook klappt das nicht, daher muss man leider immer anrufen. Natürlich kann man es auch auf gut Glück probieren, meist geht das dann auch irgendwie, aber der „Türsteher“ genießt anscheinend stets seine Rolle als Herr der Tische. Fortbewegen kann man sich in Tunis unkompliziert per Taxi. Eine Fahrt von 20 Minuten kostet gerade mal rund drei Euro. Einziges Manko: Die Fahrer haben eine schockierend schlechte Ortskenntnis und fahren nur genauso, wie man es ihnen sagt. Daher sollte man zuvor immer auf Google Maps den Weg virtuell ein wenig abfahren und sich nicht auf das Wissen der Taxler verlassen.

Wer möchte, kann die noblen Vororte von Tunis auch mit einer Art S-Bahn abfahren. Die ist außerhalb der Rush Hour nicht allzu voll, Tickets gibt es für Cent-Beträge meist an einem Schalter – zudem fahren die Züge etwa im 15 Minuten-Takt und ich persönlich habe mich sehr sicher gefühlt. Für alle, die die Stadt einmal besuchen möchten, sind Französisch-Kenntnisse ratsam, da vor allem die älteren Tunesier kaum Englisch können. Die Jüngeren scheinen Französisch dagegen lieber zu meiden, weil sie bewusst Englisch üben möchten.

Zwei Übernachtungstipps habe ich noch für die nördlichen Vororte. Beide Inserate findet man nur bei Booking.com. Für Sidi Bou Said empfehle ich die Villa Sidi Bou Said. Auf der Website von Booking sieht es so aus, als hätte man nur ein Zimmer, tatsächlich handelt es sich aber um ein quasi-separates Miniapartment innerhalb einer mondänen Villa eines überaus liebenswerten, älteren Ehepaares. Die beiden zaubern morgens ein fantastisches Frühstück und suchen den Kontakt zu ihren Gästen, sprechen allerdings fast nur Französisch.

In La Marsa dagegen hatten wir für rund 100 Euro pro Nacht ein 400 Quadratmeter großes Haus wenige Meter vom Meer und etwa zehn Minuten vom Zentrum des Ortes entfernt. Die Villa ist im Stil der 60er Jahre eingerichtet und bietet bis zu sechs Gästen Platz.

Falls Ihr also mal eine nicht so typische Städtereise machen möchtet in ein Land, das deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient als momentan, gebt dem Großraum Tunis eine Chance. Ich würde jederzeit wieder kommen und habe mich immer sicher und willkommen gefühlt.

Medina:

La Marsa:

Sidi Bou Said: