Riga – Centrs

Ich bin ja prinzipiell eigentlich jemand, den es eher Richtung Süden zieht. Der Osteuropa wirkt auf mich oftmals bedrohlich, beim Norden stört mich, dass das Wetter so ungewiss ist. Bei meiner Reise ins lettische Riga bin ich aber zum Fan von Nord UND Ost geworden. Die Hauptstadt des baltischen Landes vereint unglaublich viele Einflüsse. Vor langer Zeit mal deutsch gewesen, gibt es in Riga vieles, was überaus vertraut wirkt. Das können einzelne Wörter in der sonst recht exotisch wirkenden Sprache sein, aber auch deutsche Backkunst, süffiges Bier oder deftige Küche.

Mit einem Anteil von rund 50 Prozent russischstämmigen Bürgern ist aber auch der Impact durch Russland sehr groß. Anders als in Moskau oder St. Petersburg fand ich die Leute aber deutlich freundlicher. So dass bei mir fast so etwas wie ein wenig Ost-Melancholie aufkam. Aber auch, als es am Wochenende per Zug nach Soviet-Bauart ans Meer nach Vecaki ging. Vielleicht verkläre ich die Lage aber auch, weil ich womöglich an den Orten, an denen ich war, nur mit Letten zu tun hatte. So ganz kann man das ja nicht immer sagen.

Nicht zuletzt mutet Riga rein optisch auch sehr skandinavisch an. Die Prise von der Ostsee, die Möwen, die große Fahrrad-Freundlichkeit und die vielen jungen Leute im Hipster-Look geben der Stadt etwas irrsinnig Gelassenes und auch Naturverbundenes.

Gewohnt habe ich in einer Wohnung in der Lacplesa Iela im Viertel Centrs. Das heißt wahrscheinlich so etwas wie “Zentrum”, bezeichnet aber keineswegs nur die Altstadt. Das historische Zentrum war auch so gar nicht meins muss ich gestehen. Voller Touristen-Kolonnen, bis zur Unkenntlichkeit saniert und die Lokale wirkten auch eher unauthentisch. Da hat es mir in den Vierteln, die nördlich angrenzen, tausend Mal besser gefallen. Die zählen ebenfalls zu Centrs.

Warum fand ich es hier so schön? Hier ist man unter den Locals und braucht sich dennoch nicht fremd zu fühlen. Alle sind nett, es gibt tolle Restaurants und praktisch jeder spricht gut und gerne Englisch. Einen Abend verbrachten wir mit lettischem “Kokmuizes”-Bier in der Hand im Außenbereich einer Kulturfabrik. Dort finden am Wochenende Konzerte statt oder es legen DJ’s auf. Untergebracht ist die Location in einer alten Villa– mutet echt bizarr an. Überhaupt sind die Rigaer wohl Meister der Improvisation und machen mit Vorliebe coole Bars in alten Fabriken und archaisch anmutenden Holzhäusern im Datscha-Stil auf. Nur wenige Schritte von der Kulturfabrik gab es mit Lokal House eine weitere nette Bar, in der uns die Leute auch gleich ansprachen. Touristen gegenüber ist man hier überaus offen. Über Europa spricht man auch gern. Ist so nah an Russland auch ein stets präsentes Thema.

Essen kann man im Viertel ebenfalls super. Gleich drei Mal in zwei Tagen waren wir im Miit Café. In diesem Hipster-Lokal gibt es nicht nur super Kaffee, sondern auch fast rund um die Uhr ein tolles Buffet – überwiegend vegan. Zum Frühstück könnt Ihr Euch zum Beispiel an Rote Beete-Hummus oder leckeren Pfannkuchen bedienen. Super gemundet hat es auch im Fazenda. Der Service war nur solala, aber das Essen war spitze und günstig. Innen drin ist alles mit Blümchen-Tapete ausgelegt, draußen sitzt man nett in einem Garten. Wir teilten uns eine Käseplatte mit Sorten, die man hier nicht so bekommt, zum Beispiel so eine Art Handkäse mit Kümmel, und als Hauptgericht hatte ich Kalbsbäckchen mit Pflaumenmuß, Kürbis-Püree und Waldpilzen. Super Bagels in allen Varianten gibt es wenige Meter weiter bei Big Bad Bagels.

Noch weiter nördlich beginnt mit der Miera Iela das absolute Hipster-Paradies von Riga. Alte Gebäude, die die Gegend aussehen lassen wie in den frühen Achtzigern, beherbergen coole Bars und Cafés wie das DAD Café oder eine Grappa Bar, die aber auch ebenso gern Bier ausschenkt. In der Gegend befindet sich eine Schokoladen-Fabrik mit angrenzendem Museum. Daher riecht das Quartier am Nachmittag nach Schoki. Am coolsten zum Ausgehen fand ich Labietis, eine Micro-Brewery in einem alten Fabrik-Areal, wo coole Leute mit Craft Beer in der Hand bis weit in die Nacht hinein draußen sitzen. Angrenzend gibt es ein paar Restaurants, Burger-Läden und ein Open-Air-Kino im Sommer.

Riga hat ein absolutes Potenzial für einen weiteren Besuch!