Gepostet am 11.08.2018 / von Roberto La Pietra
Wie das immer so ist – erst wünscht man sich jahrelang, dass das Viertel hip wird, dann wird es schnell zuviel. Der nahe Viehhof-Biergarten war seinerzeit einfach ein Traum. Ein alternativer Spot, den außer den Bewohnern von Sendling und des Schlachthofviertels kaum wer am Schirm hatte. Halbe Nächte hab ich hier im Sommer verbracht.
Als der Biergarten dann schloss und dafür die Utting aufmachte, sah es so aus, als würde das Schiff den Viehhof 1:1 ersetzen. Ist meiner Meinung nach leider nicht passiert. Vielleicht liegt es daran, dass die Insta-Manie vor ein paar Jahren noch nicht so groß war. Das Publikum der Utting ist mir muss ich sagen zunehmend unsymphatisch.
Horden von Selfie-Junkies konkurrieren um den Besten Photo-Spot – ganze Truppen von Touristen pilgern aufs Schiff. An den Getränkeausgaben braucht man oftmals regelrecht Ellenbogen. Am Wochenende verirren sich manchmal sogar Rentner-Busse auf Betriebsausflug hierher. BMWler-Gruppen im Hemdchen lassen es teils lauthals am Abend mal krachen und grölen herum wie auf Mallorca am Ballermann. Zum Kaffee kommt auch mal der SUV-Fahrer im Lodenjäckchen mit seinen Kids vom Ammersee angereist.
Das Personal ist nicht unbedingt angenehmer – davon zeugen allein schon vorgefertigte, beinahe erzieherische Schilder, wie das Bestellen an der Bar zu funktionieren hat. Im Fachjargon nennt man das FAQ. Offensichtlich ist das Personal von seinen Kunden nicht allzu angetan. Die Bandbreite der Mitarbeiter reicht von nett und locker bis hin zu überheblich und pampig. Die Frühstückauswahl am Wochenende ist recht überschaubar. Da gibt es in der Regel eine süße Bowl sowie Avo-Brot mit Ei. Ich hatte es einmal gewagt zu fragen, ob ich zur Bowl einfach ein Avocado-Brot ohne Ei dazu haben konnte. Der Typ hinterm Tresen guckte darauf hin als hätte ich ihn gefragt, ob er kleine Kinder grillt. Zumal ich ja dafür auch den angemessenen Preis gezahlt hätte. Weder ließ er sich dazu herab, mir ordentlich zu antworten, noch bekam er den Mund auf. Die hochgezogenen Augenbrauen waren auch so eine Aussage.
Nicht falsch verstehen: Das Konzept ist immer noch der Wahnsinn. Und was Erfinder Daniel Hahn in München auf die Beine stellt, finde ich mehr als bemerkenswert. Ich fürchte allerdings, dass in München einfach nichts wirklich Subkultur sein kann. Es folgen immer gleich Horden von Leuten, an die sich das Konzept nicht richtet. Eine Ausnahme ist vielleicht noch der nebenan gelegene Bahnwärter. Bei dem ist es nämlich in der Tat noch ein bisschen wie beim Viehhof damals – der läuft bei vielen Leuten total unterm Radar. Problem ist halt nur: Im Gegensatz zur Utting hat der recht unregelmäßig auf.
Lagerhausstr. 15