Gepostet am 17.10.2017 / von Roberto La Pietra
Es gibt in Europa nur wenige Städte, die noch so richtig wild und ungezähmt wirken. In denen man sich so richtig schön in den Straßen verirren kann. Marseille ist ein bisschen so – allerdings auch nicht mehr so wirklich – und vielleicht ein wenig auch Athen. Wobei die Straßen dort so schachbrettartig verlaufen, dass man schon einen sehr schlechten Orientierungssinn haben muss, um sich ein bisschen zu verlieren.
Neapel entspricht voll und ganz dem italienischen Klischee. Man irrt durch verwinkelte Gassen, an den Häusern hängen Wäscheleinen, Motorroller sausen knapp an einem vorbei und man weiß nicht, welche Entdeckung man hinter der nächsten Straßenecke mach. Die Häuser sind alt und haben im Gegensatz zu Rom reichlich Patina. Hinter einem Hinterhof wartet oftmals ein weiterer – plötzlich steht man vor einer alten Römermauer oder einem Orangengarten. Insbesondere in Montesanto wird jedes chaotische Klischee bedient, das man von dieser Hafenmetropole haben dürfte. Auch im „Spanischen Viertel“ geht es drunter und drüber – dennoch steht zumindest diese Gegend kurz vor der Gentrification.
Denn – und das ist die andere Seite – auch in Neapel geht es bergauf. Das ist zumindest mein persönlicher Eindruck. In den vergangenen fünf Jahren war ich drei Mal dort. Bei meiner ersten Reise habe ich die Stadt als wahnsinnig deprimierend wahrgenommen. Die Restaurants leer – die Leute, die an den Ecken standen, mit grimmiger Miene, alles voller Müll. So wirkte Neapel auf mich dieses Mal überhaupt nicht. Die Straßen voller junger Menschen, die Lokale lebendig, viele kreative Spots und last but not least: viele Bereiche saniert und bunter als zuvor.
Neapel steht eindeutig vor einer Wende. Schon immer war ich der Meinung, dass diese Metropole am Meer und mit den tausend Sachen, die man rund um die Metropole machen kann, eigentlich riesiges Potenzial hat. Anders als Barcelona hat die Stadt aber bisher kaum etwas aus ihrer privilegierten Lage gemacht, die jungen Leute wanderten entweder ins Ausland ab oder kauerten sich zuhause bei Mama auf die Couch. Jetzt weht ein gewisser Wind des Neuanfangs durch Neapel. Dass die Metropole nun so lebendig wird, liegt sicherlich auch an den vielen Flugverbindungen mit Easyjet und Co.
Die führen dazu, dass viele junge Leute alte Wohnungen in Airbnb-Wohnungen und B&B’s verwandeln. Dadurch kommt mittelfristig Geld in die Kasse und die Locals können wieder etwas ausgeben. Das führt wiederum dazu, dass die Restaurants Auftrieb bekommen und einige auf die Idee kommen, etwas Gastronomisches aufzumachen.
Besonders voll sind die Straßen am Wochenende rund um die Piazza Bellini. In anderen Städten sind die coolen Viertel ja meist außerhalb des Zentrums. In Neapel ist das andersherum, weil dort die besten Gegenden oben am Hang liegen und „unten“ eher die dunklen, schmutzigen Viertel. Genau solche Gegenden blühen aber auf, wenn sich in einer Stadt was tut. Dabei ist die Gegend um die Piazza Bellini der Place to be. Tolle Kneipen sind Slash, Birraiuolo und Cannabistró. Hier kann man den Abend hervorragend starten. Schöne Restaurants gleich um die Ecke wären zum Beispiel La Stanza del Gusto – etwas moderner – und L’etto – ideal für Vegetarier. Pizzerien muss ich kaum empfehlen. Denn das Nationalgericht gibt’s hier eh an jeder Ecke.
Sehr gut gefallen hat mir auch Chiaia. Es liegt zwischen Uferpromenade und dem poshen Viertel Vomero oben am Hang. Tolle Idee ist ein Rundgang zum Belvedere San Martino zum Sonnenuntergang. Anschließend fährt man mit der Standseilbahn von Cimarosa runter zum Amadeo Platz. Von dort aus gelangt man mit der Pescheria Mattiucci zu einem kleinen, exzellenten Fischlokal, das nur etwa zehn Plätze am Tresen hat. Wir haben dort Austern und eine super Platte mit rohem Fisch gegessen. Hier kommt nur ein wenig roter Pfeffer und Zitrone auf den leckeren Fang. Pasta und Pizza haben wir uns anschließend in der Trattoria da Ettore gegönnt. Ein ganz persönlicher Tipp ist der Craft Beer-Laden Alabardieri 25. Dort gibt es neben dutzenden Bieren tolle Platten mit Käse und Wurst.
Auch in Sachen Übernachtung habe ich einen heißen Tipp: Das Bed & Breakfast SuperOtium ist brandneu und befindet sich direkt hinter dem archäologischen Museum. Es hat nur sechs Zimmer, die sich um einen schönen, großen Aufenthaltsbereich gruppieren. Der Gastgeber Vincenzo verhält sich mehr wie ein befreundeter Gastgeber als wie ein Hotelbesitzer. Am ersten Abend ludt er uns sogar ein, mit ihm und seinen Freunden etwas trinken zu gehen.
Chiaia
Piazza Bellini: