Gepostet am 24.11.2015 / von Roberto La Pietra
Zu den Städten, die sich mir kulinarisch nicht gleich beim ersten Besuch erschlossen, gehört Lissabon. Neulich war ich zu einer Tagung in der Stadt und wurde zu meinem Bedauern eher am Rand der Metropole untergebracht. Das hat sich allerdings als Glücksgriff entpuppt! Das Viertel Alcantara liegt zwar nicht im Zentrum, ist aber per Taxi für rund 6 Euro dennoch gut angebunden. Zudem fährt eine Art S-Bahn in 5-6 Minuten nach Cais do Sodre. Weiterer Vorteil: der Bahnhof Alcantara Mar liegt auf dem Weg zu den Küstenorten wie Cascais und Estoril.
Was mir aber viel mehr gefällt: Alcantara hat großes Potenzial zu einem Ort der Kreativen zu werden. Unser Hotel – Vila Galé Opera – lag buchstäblich unter der „Golden Gate Bridge“ von Lissabon, die auf die andere Seite des Tejo führt. Autos und Züge rollen drüber, Flugzeuge aus Brasilien schweben im Tiefflug ein, Kreuzfahrt- und Frachtschiffe ziehen gemächlich vorbei. Ein echter Knotenpunkt also. Und unweit vom Hotel: Ein Hipster-Areal namens LX Factory. Hier befindet sich rund ein Dutzend Restaurants, die in alten Lager- und Fabrikhallen untergebracht sind. Zum Frühstücken empfehle ich Cafe na Fábrica und Wish Slow Coffee House. Bei Letzterem ist der Name Programm – jeder Kaffee wird hier in einer Art Prozedur kredenzt. Bei einer Sorte muss die Maschine sogar nach jeder Verwendung komplett gereinigt werden. Lässiger ist da der erste Tipp. Das Café verfügt über eine Art alternativen Biergarten mit Holzbänken. Neben diesen Cafés gibt es eine Auswahl von Restaurants, darunter die Burger Factory, die Sushi Factory und die Cantina LX.
Ihr könnt auf dem Areal der LX Factory nicht nur essen, sondern auch shoppen, denn es gibt hier eine Reihe an kreativen Läden für Mode, Bücher und Accessoires. Ein interessanter Hotspot ist das hier, der aber nicht nur junge Leute anzieht, sondern insbesondere abends wohl auch die Upper Class. Und genau das ist das Problem. Denn auch wenn sich diese „Kultfabrik“ als Subkultur promotet, zieht sie ebenfalls Herrschaften in Smoking und Abendrobe an. Diese kurven mit dicken Mercedes und BMW über die engen Kopfsteinpflaster-Gassen – das steht in gewissem Gegensatz zu dem Flair, das man eigentlich verkörpern möchte.
Insgesamt ist das hier dennoch ein spannender Ort. Unter anderem gibt es hier zum Beispiel einen großen Coworking-Space. Dort kann man für rund 12 Euro am Tag einfach seinen Laptop aufstellen und mit Freelancern und „Digtal Nomads“ arbeiten. Einen Tag lässt sich dieses Konzept laut Owner sogar kostenfrei testen – das werde ich sicher auch mal tun!
Nicht zuletzt verfügt das Areal der LX Factory über das sogenannte „Village Underground“. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung von ausrangierten Doppeldecker-Bussen und Schiffscontainern, die tetris-artig angeordnet sind und mit Treppchen verbunden werden. Besonders im Sommer hängen junge Leute hier mit einem Bierchen in der Hand auf den Stufen ab. Leider suchen in Zeiten der Krise viele Portugiesen nach besseren Perspektiven im Ausland, daher erscheint mir Lissabon oft erschreckend überaltert. HIER haben junge Leute aber auf alle Fälle einen Platz, der ihnen sehr gefallen sollte.